Quiet Quitting – nicht mehr arbeiten als verlangt

An einem Montagmorgen beschloss die 25-jährige Gemma, dass sie an ihrem Arbeitsleben gründlich etwas ändern müsse. «Ich öffnete meinen Posteingang und sah eine Menge negativer E-Mails des Firmengründers», erklärt die PR-Mitarbeiterin aus London. «Von mir wurde erwartet, dass ich in kürzester Frist grossartige Ergebnisse liefere. Ich hatte einfach genug». Mit diesen Worten beschreibt Gemma auf der BBC-Website, warum sie aufgehört hat, für ihren Arbeitgeber die sogenannte Extrameile zu gehen.

Gemma kündigte nicht. Stattdessen wählte sie einen Weg, den derzeit viele Arbeitnehmer*innen zu gehen scheinen: «Quiet Quitting», auf Deutsch etwa «stiller Rückzug». Das bedeutet: Nur so viel tun, wie nötig ist oder wie von der Stellenbeschreibung verlangt wird. Quiet Quitters sind ausserhalb der offiziellen Arbeitszeiten nicht erreichbar und bieten keine zusätzlichen Leistungen an.

Weder Kündigung noch volles Engagement

Quiet Quitting wurde plötzlich zum Hype, nachdem der Nutzer @zkchillin im Juli 2022 ein Video darüber auf TikTok gepostet hatte. Er erklärt: «Du kündigst nicht deinen Job, aber du gibst die Idee auf, über dich hinauszuwachsen. Du erfüllst deine Pflichten, aber unterwirfst dich nicht mehr der Mentalität des Arbeitens bis zum Umfallen, dass die Arbeit dein Leben sein muss. Das ist nicht der Fall, und dein Wert als Mensch wird nicht durch die Arbeit definiert. Quiet Quitting ist weder volle Resignation noch volles Engagement, sondern etwas dazwischen.»

«Du kündigst nicht deinen Job, aber du gibst die Idee auf, über dich hinauszuwachsen»

@zkchillin auf TikTok

Ist Quiet Quitting also vergleichbar mit dem hierzulande oft beschriebenen Phänomen der «inneren Kündigung»? Man muss die Begriffe abgrenzen. Der Faktor Resignation spielt bei der inneren Kündigung eine wesentlichere Rolle, Quiet Quitting ist weniger nah an einer Kündigung.

Der Beitrag auf TikTok ging viral – ein Zeichen dafür, dass Quiet Quitting vor allem jüngere Menschen anspricht. Studien zeigen, dass vor allem Millennials und Mitglieder der Generation Z mit ihren Jobs nicht sehr zufrieden sind. Im Internet finden sich viele weitere Beispiele von jungen Menschen, die ähnliche Konsequenzen ziehen wie Gemma.

Ein neuer Begriff für ein altes Phänomen

Der Begriff mag neu sein, die Idee dahinter ist es nicht. «Obwohl er von einer jüngeren Generation und in einer neuen Verpackung kommt, wird dieser Trend schon seit Jahrzehnten unter verschiedenen Namen untersucht: Loslösung, Gleichgültigkeit, Rückzug.» Dies sagt Anthony Klotz, ausserordentlicher Professor an der University of College London's School of Management.

«Obwohl er von einer jüngeren Generation und in einer neuen Verpackung kommt, wird dieser Trend schon seit Jahrzehnten unter verschiedenen Namen untersucht»

Anthony Klotz Ausserordentlicher Professor an der University of College London's School of Management

Viele Menschen machen sich seit der Covid-Pandemie mehr Gedanken über ihre Gesundheit und ihre Work-Life-Balance. Sie sehen die Risiken, die Überarbeitung für ihre psychische Gesundheit haben kann. Diese Entwicklung trägt zum Trend des Phänomens bei.

Der Begriff ist aus zwei Gründen problematisch. Erstens ist er ungenau: Quiet Quitters verlassen ihren Arbeitsplatz nicht. Zweitens ist der Begriff negativ besetzt: Bestimmte Gruppen von Arbeitnehmenden könnten stigmatisiert werden, zum Beispiel Angestellte, die Arbeit und Freizeit oder Familienzeit strikt trennen möchten. Sie sind in der Regel keine Quiet Quitters, sondern engagieren sich durchaus für ihren Job.

Das Gleichgewicht wiederherstellen

Die Gründe für Quiet Quitting sind vielfältig: Stress, gesundheitliche Probleme, Frustration, unbezahlte Überstunden, verweigerte Gehaltserhöhung... Einer der wichtigsten Faktoren ist mangelnde Wertschätzung – was direkt zu Demotivation führt.

Betroffene sagen oft, dass sie sich zurückziehen, um ihr Leben wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Sie haben nicht die Absicht, grundsätzlich und für immer so zu arbeiten. Oft orientieren sie sich nach einer solchen Phase neu und sind wieder voll engagiert.

Aber warum nicht einfach kündigen, wenn man nicht zufrieden ist? Manche lieben ihre Arbeit immer noch und sind nicht bereit, sie aufzugeben. Oder es ist für sie schwierig, einen ähnlichen Arbeitsplatz zu finden. Oft aber können es sich Angestellte einfach nicht leisten, zu kündigen und erst einmal arbeitslos zu sein.

Wenn du als unzufriedene*r Angestellte*r einen stillen Rückzug in Erwägung ziehst, sei dir im Klaren, dass dies schmerzhafte Folgen haben kann – schlechte Stimmung, weniger Perspektiven oder sogar eine Entlassung.

Autor*in

Hansjörg Schmid

Hansjörg Schmid

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