Was Angestellte motiviert – und was nicht

Ziel: Zwei Maschinen mehr verkaufen als im letzten Jahr. Du wirst es erreichen, denn im Dezember winkt eine Prämie. Aber motiviert es dich auch?

2017 führte Tamedia für Journalisten die eine Prämie ein: Erreichte ein Team mehr Klicks als im Trimester zuvor, erhielt es einen Bonus von 1500 Franken. Auch individuelle Prämien gab es: 800 Franken für die Journalist*innen, die am meisten Artikel publiziert und am meisten Besucher*innen generiert hatten, 500 Franken für die Zweitplatzierten und 300 für die Dritten.

«Erhalten Angestellte eine Prämie, wenn sie ihr Ziel erreichen, dann ist das ein Liefersoll und nicht eine Motivation, das Beste zu geben.»

Xavier Comby Leiter des Beratungsunternehmens Essentiel Management Conseil

Ein solches leistungsabhängiges Bonus-System ist alles andere als neu. Viele Unternehmen wenden es an. Vielleicht hast auch du Ende Jahr eine Leistungsprämie erhalten. Hast du deswegen die Arbeit im neuen Jahr motivierter begonnen? Lässt deine Motivation nach, wenn du keine Prämien oder Boni erhältst?

Belohnungssysteme sind kontraproduktiv

Ein Bonus soll Angestellte motivieren und ihre Produktivität erhöhen. Expert*innen stellen dies zunehmend in Frage. «Belohnungssysteme sind total kontraproduktiv», sagt Xavier Comby, Leiter und Gründer des Beratungsunternehmens Essentiel Management Conseil. Er begründet: «Erhalten Angestellte eine Prämie, wenn sie ihr Ziel erreichen, dann ist das ein Liefersoll und nicht eine Motivation, das Beste zu geben.»

Gewisse Unternehmen haben die verhängnisvolle Wirkung der Boni erkannt. Zum Beispiel die deutsche Bosch. 2015 kündigte deren CEO Volmar Denner an, leistungsbezogene Boni im Topkader abzuschaffen.

Angenehmes Arbeitsumfeld anbieten

Wenn nicht über Prämien, wie sollen Arbeitgeber ihre Angestellten dazu bewegen, zum Erfolg des Unternehmens beizutragen? Diverse Unternehmen legen ihren Fokus auf die die Arbeitsbedingungen und das Wohl der Angestellten. Sie investieren in die Gestaltung und die Ergonomie der Arbeitsplätze und bieten sogar Yoga- oder Fitness-Kurse an. Angestellte sollen sich im Büro wie zuhause fühlen.

Werden Angestellte dadurch motiviert? Vielleicht – die Arbeitsumgebung hat durchaus einen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Motivation. Für Xavier Comby ist es jedoch nicht der Schlüssel. Für ihn haben das Zwischenmenschliche und die Chefs eine weit grössere Wirkung.

Konflikte demotivieren

«Unharmonische Verhältnisse in einem Unternehmen sind der wichtigste Grund für Demotivation», erklärt Comby. «Es gibt für Angestellte nichts Aufreibenderes und Demotivierenderes, als sich jeden Morgen sagen zu müssen: Heute muss ich wieder in die Arena, und ich hoffe, am Ende des Tages ohne Blessuren und ohne gefressen zu werden rauszukommen.» Nicht nur interne, sondern auch externe Konflikte, für die sie nichts können, demotivieren die Angestellten.

Nicht in allen Betrieben herrschen Konflikte. Trotzdem ist die Motivation am Boden. Warum? Um es zu verstehen, verweist Xavier Camby auf die Herkunft des Wortes Motivation. Es leitet sich vom Lateinischen «movere», bewegen, ab. Angestellte können sich zwar selber bewegen, wenn sie aber eine Bremse in Form der Chefin, des Chefs über sich haben, wird dies schwierig.

Anerkennen heisst motivieren

Die Manager haben eine Schlüsselrolle. «Sie sind die Garanten der Motivation», sagt Xavier Comby. «Das Beste aus den Angestellten zu holen, ohne sie zu erschöpfen, und ihre vielen Ressourcen gezielt einzusetzen, das ist ihre wichtigste Aufgabe.» Anders gesagt: Eine Chefin, ein Chef muss das Team richtig würdigen.

«Die Unternehmen denken oft, dass Angestellte automatisch motiviert sind, wenn sie einmal eingestellt sind, den ersten Lohn erhalten haben und die Arbeitsbedingungen klar sind.»

Nicoe Acatrinei Ökonomin und Motivationsexpertin

«Die Unternehmen denken oft, dass Angestellte automatisch motiviert sind, wenn sie einmal eingestellt sind, den ersten Lohn erhalten haben und die Arbeitsbedingungen klar sind», sagt Nicole Acatrinei, auf Arbeitsmotivation spezialisierte Ökonomin. Die Motivation sei jedoch dynamisch, das geht gerne vergessen. Sie sei ein Prozess, der bei Personalrekrutierung beginne und während der Anstellung weiterlaufe.

Motivationsfaktoren erkennen

In ihrer Doktorarbeit hat Nicole Acatrinei ein Modell entwickelt, um die Motivationsfaktoren der Angestellten in spezifischen Unternehmen zu ermitteln. Im öffentlichen Sektor zum Beispiel denkt man oft, dass die extrinsische Motivation (Motivation von aussen) weniger wichtig sei als die intrinsische (Selbstmotivation, siehe auch Glossar). Mit ihrem Modell konnte Acatrinei aufzeigen, dass dies nicht stimmt.

Dies ist der springende Punkt für die Arbeitgeber: Sie müssen die Motivationsfaktoren für die eigenen Angestellten finden und nicht die des Nachbarunternehmens. Damit verhindern sie, Unsummen in Motivations- und Coaching-Programme zu stecken ohne analysiert zu haben, warum Angestellte demotiviert sind. Was im Unternehmen A funktioniert, muss im Unternehmen B nicht unbedingt funktionieren, betont Nicole Acatrinei.

Nicht zuletzt: Demotivation kostet eine Stange Geld. «Das sind versteckte Kosten, die leider schlecht messbar sind. Sie können aber bis 50 Prozent der Lohnsumme ausmachen, vor allem in kranken Unternehmen.» Davon ist Xavier Comby überzeugt. Wer will sich angesichts dessen noch demotivierte Mitarbeitende leisten?

Autor*in

Virginie Jaquet

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