Wir müssen anders arbeiten

Die neueste Sotomo-Studie zur Teilzeitarbeit zeigt auf: Unser Verständnis von Arbeitsethos muss sich grundlegend ändern. Nur so können wir die gravierenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen.

Karriere oder Karibik? Die Haltung zur Erwerbsarbeit spaltet die Schweiz. Die Schweizer*innen wollten beides - und irgendwie doch nicht. Das belegen die Ergebnisse der #geschlechtergerechter-Studie mit Fokus auf Teilzeitarbeit. Erhoben wurde die repräsentative Umfrage vom Forschungsinstitut Sotomo.

Wir müssen mehr arbeiten, sagen 56 Prozent

Sotomo-Umfrage

Tatsache ist: 2023 gehen erstmals mehr Menschen in den Ruhestand, als neue Arbeitnehmer*innen in den Arbeitsmarkt eintreten. Das hat Konsequenzen für die Altersvorsorge und unseren Wohlstand. Zusätzlich belastend: Der gravierende Fachkräftemangel in vielen Branchen. Die naheliegendste Lösung: Mehr arbeiten, wie 56 Prozent der Befragten finden.

Gleichzeitig will vor allem die junge Generation eine gesunde Work-Life-Balance und eine Arbeitsstelle, die Sinn macht. Es entspricht dem Zeitgeist, dass nicht nur die Generationen Z und Y, sondern 68 Prozent der Schweizer*innen finden: Wir arbeiten zu viel.

«Das berühmte Schweizer Arbeitsethos bröckelt.»

Michael Hermann

Dieser Widerspruch führt zu einem ideologischen Spagat zwischen wirtschaftlichen Überlegungen und privaten Vorlieben. Wie die Studienautoren schreiben, entsteht besonders in Bezug auf Familie und Politik ein Konflikt mit scheinbar gegensätzlichen Haltungen: Die Schweizer*innen wollen garantierte Krippenplätze für alle und die Einführung einer Individualbesteuerung. Beide Massnahmen könnten insbesondere Mütter motivieren, mehr zu arbeiten. Gleichzeitig finden die Schweizer*innen aber auch: Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen, sollten dafür finanziell entschädigt werden. Das macht es für Eltern attraktiver, weniger zu arbeiten.

Diese Uneinigkeit der Schweizer Arbeitsnehmer*innen führt für Studienautor Michael Hermann zum Schluss: «Das berühmte Schweizer Arbeitsethos bröckelt» (Tages Anzeiger, 06.02.2023).

 

Wir arbeiten zuviel, sagen 68 Prozent

Sotomo-Umfrage

Ja was ist denn nun die Lösung? Mehr oder weniger arbeiten? Der Schlüssel steckt nicht im «mehr» oder «weniger», sondern das Zauberwort ist «anders». Denn Ethos, gemäss Duden die «vom Bewusstsein sittlicher Werte geprägte Gesinnung, Gesamthaltung», ist ein wandelbarer Begriff. Ein Begriff, der laufend neu diskutiert und definiert werden muss. Nur weil der Fokus auf finanziellen Wohlstand und Produktivität für vergangene Generationen Sinn machte, muss das nicht so bleiben.

Die zentrale Frage ist: Wie finden wir die Schnittmenge zwischen Produktivität und Zufriedenheit? Vielleicht ist die aktuell viel angepriesene und auch in der Studie begrüsste Viertagewoche die Lösung. Vielleicht auch, dass Eltern die Wahl haben zwischen garantierten Kita-Plätzen und finanzieller Entschädigung für Kinderbetreuung. Sehr wahrscheinlich braucht es eine bessere Akzeptanz von Teilzeitarbeit – inklusive höheren Löhnen.

Eines ist klar. Wir müssen anders arbeiten. Wie dieses «anders» aussehen soll, müssen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen gemeinsam bestimmen. 

Autor*in

Manuela Donati

Manuela Donati

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