Muss ich krank arbeiten?

Mit einem leichten Kratzen im Hals lässt es sich noch arbeiten. Aber mit einer Grippe keinesfalls.

Ich habe ein Grippevirus eingefangen und bin stark erkältet. Der Hausarzt hat mich für drei Tage zu 100% arbeitsunfähig geschrieben. Nach einem Gespräch mit dem Chef habe ich jedoch das Gefühl, dass ich es mir gar nicht leisten kann, krank zu sein.

Der Chef setzt gehörig Druck auf. Er erwartet von mir, dass ich trotz Grippe im Büro oder wenigstens im Home-Office arbeite. Er stellt mir eine Anwesenheitsprämie in Aussicht, wenn ich keine Fehlzeiten habe.

Darum geht es mir nicht. Ich fürchte vielmehr, den Job zu verlieren, wenn ich dem Anliegen meines Chefs nicht nachkomme. Gleichzeitig aber fühle ich mich wirklich nicht fit für die Arbeit. Was soll ich tun?

Herbert F.

 

Stellt Herberts Hausarzt fest, dass er zu 100% arbeitsunfähig ist, dann gilt das auch voll und ganz für seinen Arbeitgeber. Er kann von Herbert nicht verlangen, zu arbeiten. Auch nicht in einem reduzierten Pensum. Dies könnte er nur, wenn Herbert nicht zu 100%, sondern zum Beispiel zu 50% arbeitsunfähig geschrieben wäre.

Arztzeugnis dokumentiert Arbeitsunfähigkeit

Herbert ist dringend zu raten, die drei Tage wirklich frei zu nehmen. Sonst riskiert er, die Grippe zu verschleppen. Damit ist weder ihm noch dem Arbeitgeber gedient.

Damit seine Arbeitsunfähigkeit beim Arbeitgeber dokumentiert ist, soll ihm Herbert ein entsprechendes Arztzeugnis einreichen. Der Arbeitgeber darf ein Arztzeugnis ab dem ersten Krankheitstag verlangen, auch wenn der Arbeitsvertrag dies nicht ausdrücklich vorsieht. Die meisten Arbeitgeber vereinbaren, dass ein Arztzeugnis vorzulegen ist, wenn die Verhinderung aus gesundheitlichen Gründen mehr als zwei, drei oder vier Tage dauert.

Der Arbeitgeber muss seine Fürsorgepflicht wahrnehmen

Herberts Arbeitgeber hat ihm gegenüber die sogenannte Fürsorgepflicht. Aufgrund dieser gesetzlich festgelegten Pflicht muss er Herberts Gesundheit schützen. Weiter muss er dafür sorgen, dass Herberts Arbeitskolleg*innen nicht mit dem Grippevirus angesteckt werden.

Damit ist im Fall von Herbert sehr klar, dass der Chef seinen Mitarbeitenden dazu anhalten muss, der Arbeit fernzubleiben.

Krank ist krank – auch im Home-Office

Herberts Arbeitgeber könnte nun auf die Idee kommen, ihm Home-Office schmackhaft zu machen. Dann würde ja der Arbeitsweg wegfallen und Herbert könnte sich zwischendurch etwas hinlegen. Arbeitskolleg*innen anstecken könnte er auch nicht.

Damit würde Herberts Arbeitgeber jedoch die Fürsorgepflicht immer noch verletzen. Denn im Home-Office ist Herbert genauso krank wie im Betrieb. Das Home-Office ist ein Arbeitsplatz und es gelten dieselben Regeln wie im Betrieb.

Anwesenheitsprämien setzen falschen Anreiz

Aus rechtlicher Sicht sind Anwesenheitsprämien übrigens problematisch, weil sie den Anreiz setzen, trotz Krankheit zu arbeiten. Das ist mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht zu vereinbaren.

Ebenso darf es nicht sein, dass Angestellte um ihren Job bangen müssen, wenn sie wegen Grippe mal ausfallen. Krankheit ist ganz klar kein Kündigungsgrund.

Bei länger andauernden Krankheiten darf der Arbeitgeber jedoch nach Ablauf der entsprechenden Sperrfristen kündigen. Die Sperrfristen dauern im 1. Dienstjahr 30 Tage, ab dem zweiten bis fünften 90 Tage und ab dem sechsten Dienstjahr 180 Tage.

Wenn in Herberts Betrieb eine solche Arbeitskultur herrscht, sucht er sich auf längere Frist besser einen anderen Arbeitgeber.

Autor*in

Legal Counseling

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